Heilige Nacht
Anke Bolz
Der Mond stand hoch oben am Firmament
und die Sterne leuchteten hell in dieser Nacht.
Tief verschneit war die weite Welt und Gottes Geschöpfe
ruhten verborgen unter der dichten Decke.
Das ferne Licht fand sich funkelnd wieder in der weißen Pracht.
Selten war eine solche Stille.
Etwas lag in der Luft. Man konnte es riechen.
Der Frost schien den Augenblick für die Ewigkeit aufbewahren zu wollen:
mit seinem eisigen Hauch warf er ein raues Kleid über die Seen und Flüsse,
und glitzernde Blumen malte er an die Fenster der Häuser.
Wer nach des Tages Mühen nun eilends heimwärts lief,
hielt inne in seinem hastigen Schritt.
Verheißungsvoll hob sich sein Blick,
glückselige Gewissheit erfasste ihn und floss heiß durch alle Glieder.
Ein Strahlen stieg in die müden Augen.
Vergeben war Last und Verdruss.
Leichten Schrittes setzte er seinen Weg fort.
Die Zecher, die lärmend aus dem Wirtshaus polterten, vergaßen,
worüber sie eben noch lautstark lamentierten, und gingen friedlich einher,
seltsam angerührt und lauschend auf den Klang der Nacht.
Der Bettler in all seiner Not saß, der Welt entrückt,
in dieser Nacht an seinem Feuer.
Aus dem Innersten des Herzens stieg eine Ahnung in ihm auf.
Hell leuchteten die Fenster im flackernden Schein.
Drinnen saßen Zwei, die sangen.
Ihre Töne flochten sich ineinander wie die Blüten in einer wilden Rosenhecke.
Zart schwangen sich die Klänge ihrer Stimmen
in die Lüfte auf und verschmolzen.
Wie auf Flügeln zogen sie durch das Haus
und kehrten vereint in das Herz zurück, aus dem sie gekommen.
In einen See von Staunen, unermesslicher Freude und Licht flossen sie
und speisten ihn.
Klang um Klang fand den Weg in stetigem Fluss.
Es füllte sich der See.
Rundum begann ein Flirren und Flimmern, das alles durchdrang.
Felsen schmolzen dahin.
Und endlich ergoss sich seine Liebe in grenzenloses Nichts.
Es ist vollbracht.